02.00 Wissenschaft und Kultur allgemein: Allgemeines
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Der architektonische Raum wird als ein Medium der Kommunikation im Kontext der >neuen< Medien begriffen, aus der Erkenntnis, dass er schon immer ein Medium war und aus einer komplexen Medienstruktur in Abhängigkeit von anderen Medien besteht. Im Prozess von Handlung und Kommunikation ist der architektonische Raum das Medium, das räumliche Nähe von Individuen über alle Sinne und das Bewusstsein gleichzeitig intensiv ermöglicht. Der architektonische Raum als immersives Kommunikationsmedium erreicht im Zeitalter der >neuen< Medien eine neue Dimension, indem mehr und andere Wirklichkeitsalternativen der Kommunikation zur Verfügung stehen. N. Luhmann folgend, wird die Architektur aus der Sicht der Form/Medium-Differenz systemtheoretisch als strukturierter Möglichkeitsraum betrachtet. Der Raum ist das Medium für Formen des architektonischen Raumes, in dem Architektur überhaupt erst wirksam wird. Umgekehrt sind die Formen des architektonischen Raumes Medien für die Wahrnehmung einer Vielzahl von räumlichen Wirklichkeiten. Eine Fassade aus Stein oder Glas ist gebaute Form und kann als Medium Information kommunizieren. Medien werden ihrer Bestimmung um so besser gerecht, je mehr sie sich der Aufmerksamkeit entziehen und wie transparente Fenster hinter der Oberfläche der sinnlichen Wahrnehmung zurücktreten. Als >unwahrnehmbares< Medium ist der architektonische Raum damit eine hintergründige >Wirkungsmacht<, eine Bühne für die Entfaltung von Wirkung, Atmosphäre und Bewegung. Seine physische Wirklichkeit war schon immer durch virtuelle Wirklichkeiten oder Realitäten entgrenzt, die durch Techniken und Technologien der Simulation als künstliche Welten wahrnehmbar und kommunizierbar werden. Dies kann an tradierten Beispielen der gotischen Kathedrale, dem Panorama, den panoptischen Räumen, dem Theater, Kino oder den kontinuierlichen Räumen von der Moderne bis heute aufgezeigt weren. Virtuelle Räume gotischer Glasbilder oder barocker Decken- und Wandbilder im Medium des architektonischen Raumes sind uns geläufig. Die Immersion, das Eintauchen in diese virtuellen Wirklichkeitsspären löst die Wahrnehmung der eigenen körperlichen Präsenz in ihnen aus. Das Potential des virtuellen Raumes der Architektur besteht im Vergleich zu anderen virtuellen Realitäten von Text, Bild oder digitalen Medien in seiner Gebundenheit an die physische, räumliche Reizstruktur, der er die Eindringlichkeit und Komplexität seiner Wirkung verdankt. Es werden unterschiedliche Wechselwirkungen und gemeinsame Entwicklungen von zeitgenössischen Beispielen der Architektur mit den >neuen< Medien aufgezeigt. In der »sensitiven Wand« wird die physische Raumgrenze durch die Integration neuer Techniken und Technologien digitaler, elektronischer Medien etwas extrem Flexibles und Formbares in Interaktion mit dem Benutzer. Der H2O Pavillon (Oosterhuis und NOX, 1997) ist ein Beispiel dafür. Der ausgeprägt polysensorische Immersionsraum steht für die Einheit von digitaler und architektonischer Simulation. Die metaphorische Welt von Höhle und Quelle des Thermalbades Vals (P.Zumthor, 1996) ist die räumliche Reflexion auf die metaphorische Struktur virtueller Räume der >neuen< Medien. Die simulierte Wirklichkeit in den Medien Wasser, Stein und architektonischer Raum produziert schöpferisch den polysensorischen immersiven Zugang in die virtuellen Welten >authentischer< physischer Umgebung. Das >Sichtbare< im Medium Raum der Architektur ist ohne das >Unsichtbare< nicht zu begreifen bzw. das sinnlich Wahrnehmbare nicht ohne das Unwahrnehmbare. Das Erkennen dieser Relation von Form und Medium ermöglicht die Formulierung des neuen Begriffes des medialen Raumes der Architektur, der zur Basis für eine Medientheorie der Architektur wird, als Sichtweise der Entgrenzung des physischen Raumes durch den virtuellen Raum für die subjektive Wahrnehmung, Handlung und Kommunikation.
Der Sage nach wurde Europa, jene fremde Königstochter, vom Göttervater Zeus in der Verkleidung eines majestätischen Stiers vom fernen Phoenizien nach Kreta – wörtlich – „übertragen“, das heißt von hier nach dort getragen. So gesehen erzeugt Europa einen dritten Raum, einen Trenn- und/oder Bindestrich zwischen Orient und Okzident, als diasporadische Figur und auch als Kontinent. Die Logik eines solchen Strichs, der zugleich trennt und verbindet, findet eine kartographische Entsprechung im nullten Längengrad, der die ganze Welt in ein Einheit schaffendes Koordinatensystem „übersetzt“, mit Greenwich als Zentrum. Ein Äquivalent eines solchen fixen Ausgangspunktes findet sich in der perspektivischen Europa-Darstellung in Tiepolos Darstellung der Kontinente im Deckenfries des Treppenhauses der Fürstbischöflichen Residenz in Würzburg. In diesem architektonischen Gemälde bildet Europa das Frontispiz, das nur von einem privilegierten Standort auf dem ersten Treppenabsatz unverzerrt betrachtet werden kann. Gegenstand dieses Beitrags sind eben diese drei medienkulturellen Europa-Inszenierungen: 1.) eine Sage, 2.) das kartographische Element des Nullmeridians und 3.) Tiepolos Treppenhausgemälde, sie alle verstehe ich als medienkulturelle Übersetzungen Europas. Ziel dieses Beitrags ist es zu fragen, wie diese drei kulturellen Objekte in ihren jeweiligen medialen Modi am Europa-Begriff arbeiten. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Akt des Übersetzens, und zwar sowohl im Sinne einer Umschrift von einem medialen Modus in den anderen als auch als durchaus physisch zu verstehende Bewegung einer Migration zwischen Heimat und Fremde. Ergebnis dieser Betrachtungen ist ein Europa-Begriff, der nicht unproblematisch mit sich selbst identisch ist, sondern sich erst in der Bewegung des Übersetzens konstituiert, also im dritten Raum oder als Bindestrich zwischen den Kulturen.